Die große Flussfahrt

Frei nach den Geschwistern Grimm. Für ihre Urenkelin von Peter Brasch

Irgendwann war die Arche zerborsten, die Sprachen unkenntlich gemacht, ein Dialektgewirr entstanden und die Leute irrten einsam gemeinsam mit ihren Tieren über die sieben Weltmeere. Gott war auch nicht mehr das, was er mal war, Jesus Christus gammelte inzwischen an seinem Kreuz herum und verkündete das, was sowieso schon jeder wusste: Daß die Welt dreieckig ist, sich um den Mond dreht und die Menschen alle nicht ganz rundlaufen.

Da kam die Urenkelin der Geschwister Grimm, die barmherzige Schwester Kerstin, und baute für alle Tiere, Menschen und sonstige Lebewesen vor allem Mühlräder, neue Archen und Boote, die zwar vereinzelt, aber sehr individuell über die Weltmeere segelten. Oder um ein Wort von Sören Kierkegaard zu zitieren: Das glaube ich fest: soviel Verworrenes, Böses, Abscheuliches auch wohnen kann in den Menschen, wenn sie zum verantwortungs- und reuelosen Publikum, zur Menge und dergleichen werden, so viel Wahres, Gutes und Liebenswertes ist in ihnen, wenn man erreichen kann, dass sie Einzelne werden.

Und was erst, wenn sie Einzelne vor Gott würden.“

Aber da Gott bereits verschieden ist, sage ich, können sie nur Einzelne vor sich selbst werden. Das wars dann.

Peter Brasch, Text im Katalog "Der ratlose Navigator"
1996